„Aufwind“ in Neuss: Das Projekt für Kinder psychisch kranker Eltern

2. Februar 2013 | Von | Kategorie: Aktuelles, Familie

Wenn Mama oder Papa Depressionen hat, dann leiden auch die Kinder. Seit einem Jahr gibt es daher im Rhein-Kreis Neuss das Projekt „Aufwind“. Es ist entstanden aus einer Kooperation vom Caritasverband des Kreises, dem Caritas Sozialdienst Neuss und des Sozialdienstes katholischer Frauen Neuss (SkF). „Aufwind“ unterstützt betroffene Kinder und Jugendliche von 6 bis 18 Jahren, aber natürlich auch ihre Eltern mit Gruppenprojekten, Beratungsangeboten und individuellen Betreuungspatenschaften.

„Neulich hat ein 6-järiges Kind zu mir gesagt: >Ich komme gerne zu euch, weil ihr hier meine Gefühle fühlt<“, erzählt die Psychologin Lea Sliwak vom Caritas Sozialdienst. Sie ist verantwortlich für die Koordination des Projekts „Aufwind“ im Rhein-Kreis Neuss und betreut zudem mit einer Kollegin eine der Kindergruppen im Rahmen des Hilfsangebots. Für sie ist diese Aussage nicht nur ein schönes Kompliment, sondern verdeutlicht auch die Notwendigkeit und Wirksamkeit von „Aufwind“: „Kinder haben feine Antennen, was die Erkrankung ihrer Eltern betrifft, können sich aber vieles eben nicht erklären. Sie leiden unter der Tabuisierung des Themas und fühlen sich gleichzeitig verantwortlich und schuldig“.

Kinder im Zentrum

Hier setzen die Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche betroffener Familien an. Unter dem Namen „Kinder im Zentrum“ kurz „KiZ“ bietet der Caritas Sozialdienst in Neuss, Dormagen und Grevenbroich wöchentliche Gruppentreffen an. Diese finden nach Altersstufen getrennt unter der Leitung von einem Team aus Sozialarbeitern, Sozialpädagogen und der Psychologin statt. „Wir wollen eine verlässliche Atmosphäre des Vertrauens schaffen und den Kindern zeigen, dass sie nicht alleine sind. Das Ziel ist für uns, bei den Kindern ein Selbstwertgefühl aufzubauen, damit sich eine gesunde Persönlichkeit entwickeln kann“, erklärt Sliwak. Je zwei Betreuer kümmern sich um bis zu acht Kinder oder Jugendliche. Die Jüngeren sollen „wieder Kind sein dürfen“, so die Psychologin, deswegen wird mit ihnen Freizeit gestaltet, gespielt, gebastelt oder auch mal ein Ausflug unternommen. Bei Bedarf haben die Betreuer immer ein offenes Ohr, denn die Kinder sollen sich aufgehoben fühlen und verstehen lernen, was mit den erkrankten Eltern los ist sowie damit umgehen können. Bei den Jugendlichen stehen mehr das Gruppenerleben, der Austausch und das Herausbilden von Gemeinsamkeiten im Vordergrund. „Die Stärken sollen gefördert werden, damit eine selbstbestimmte Entwicklung möglich wird“, sagt Sliwak. Das sei so wichtig, weil bei Kindern psychisch kranker Eltern das Risiko selbst zu erkranken bei 60 Prozent liegt.

Beratung

Der Bedarf an Hilfe ist deutschlandweit steigend: „Im Moment leiden im Laufe eines Jahres 30 Prozent der Erwachsenen an einer psychischen Störung und etwa 3 Millionen Kinder erleben in dieser Zeit mindestens einen erkrankten Elternteil“, erläutert die Psychologin. Das zeigt auch die Resonanz im Rhein-Kreis Neuss. Mit inzwischen 17 betreuten Kindern und Familien bei KiZ übersteigt sie schon jetzt die Erwartungen an das auf vorerst drei Jahre angelegte Projekt. Und die Nachfrage wächst. So sind die Gruppenprojekte nur eine Säule von „Aufwind“. Eine weitere ist das Beratungsangebot der Neusser Erziehungs- und Familienberatungsstelle „balance“. Es richtet sich an Familien, erkrankte Eltern, Kinder und Jugendliche sowie an Angehörige und Bezugspersonen. Die Familien sollen gestärkt werden, damit sie mit Problemen in Alltag und Erziehung besser umgehen können. Auch in Notsituationen bietet „balance“ konkrete Hilfe. Dem Team um die Neusser „Aufwind“-Koordinatorin Ingeborg Glauer ist besonders wichtig, mit der Beratung „möglichst früh“ anzusetzen, „da gerade Babys und Kleinkinder eine sichere Bindung brauchen, um sich gesund zu entwickeln“.

Familienpaten

Die dritte Säule ist dann das Patenprojekt des SkF. Es ist wieder ganz auf die Kinder zugeschnitten. Zuvor geschulte Ehrenamtler übernehmen die Patenschaft für je ein Kind, um mit ihm einmal wöchentlich die Freizeit zu verbringen. „Im Moment haben wir 11 Paten im Einsatz“ und davon seien die meisten Frauen, erzählt Sozialarbeiterin Gabriele Demming, die das Patenprojekt leitet und betreut. „Sie treffen sich mit den Kindern außerhalb der Familie, unternehmen etwas oder helfen auch mal bei den Hausaufgaben oder beim Lernen“. Die Paten sollen den Kindern zuverlässige Bezugspersonen und von der Familie unabhängige Ansprechpartner sein, ihnen eine unbeschwerte Zeit bereiten. Positiver Nebeneffekt: „Die Eltern freuen sich über die Entlastung und haben auch mal Zeit für sich“, so Demming. Dabei sind die Ehrenamtler natürlich nicht auf sich alleine gestellt. Einmal im Monat treffen sich alle mit der Sozialarbeiterin, um sich auszutauschen und zu beraten. Außerdem werden sie regelmäßig geschult und in Krisensituationen unterstützt. „Unsere Paten empfinden ihr Amt als Bereicherung und machen es sehr gerne“, sagt Demming.

Information und Vernetzung

Die vierte Säule soll schließlich durch „Koordination, Kooperation und Information“ das Projekt „Aufwind“ einer breiten Öffentlichkeit von Betroffenen bis Fachleuten bekannt machen, Hilfseinrichtungen und Fachdienste wirksam vernetzen sowie Angebote bündeln. Bisher mit Erfolg, findet Lea Sliwak: „Das Projekt wird auch von Fachleuten schon weiter empfohlen.“ Weitere Informationen und Ansprechpartner auf www.caritas-neuss.de