Wo Schicksal Leben bedrängt

21. August 2012 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Mit der Regiearbeit „Hiob“ nach dem Roman von Joseph Roth startet Intendantin Bettina Jahnke in ihre 4. Spielzeit am Rheinischen Landestheater. Ein Text von 1930 über das Fremdsein auf Erden, über einen Mann, der durch Schicksalsschläge alle Hoffnung verliert und doch am Ende ein Licht entdeckt. Ein Einstieg der zum Motto der Saison passt. Denn „glauben“ prangert über den Programmtafeln. Ob zeitkritisch, klassisch oder unterhaltsam, die Zuversicht flackert auf der Bühne. Simon Stephens „Harper Regan“, „Das Käthchen von Heilbronn“ von Heinrich von Kleist oder „Don Camillo und Peppone“ und „Amadeus“ werden zu sehen sein. Eingestimmt auf die Saison wird wie in jedem Jahr mit dem Spielzeitfest, zu dem am 2.9. griechische Götter auf den Olymp ins Schauspielhaus laden.

                                                                                                          Marion Stuckstätte

 

 

„Glaube ist Liebe zum Unsichtbaren, Vertrauen aufs Unmögliche, Unwahrscheinliche.“ Mit diesem Goethe-Zitat bewirbt das Rheinische Landestheater das neue Programm, das sich thematisch in den Bereichen abseits des rationalen Verstandes bewegt. Glauben ist nicht Wissen. Was oder wem kann man glauben? Was gibt dem Dasein einen tieferen Sinn?

 

Harper Regan ist immer einen Schritt zu spät in ihrem Leben. Sie ist 41 Jahre alt, verheiratet und Mutter einer fast erwachsenen Tochter. Mit einem eher leidlich bezahlten Job hält sie die Familie über Wasser. Sie funktioniert, auch wenn die Welt um sie herum alles andere als heil ist. Dann liegt ihr Vater im Sterben und Harpers Chef verweigert ihr den Urlaub, um ihn zu besuchen. Da bricht sie aus. Harper packt ihre Sachen und reist in ihren Heimatort. Als sie ankommt, ist ihr Vater bereits tot. Aber die Reise ist nicht umsonst. Gelöst aus ihrem heimischen Korsett lässt sie sich zwei Tage durchs Leben treiben, beginnt, sich ihrer Angst und Sehnsucht zu stellen und sich selbst zu begegnen. Sex, Prügelei und Hingabe, die Welt steht Kopf. Zwei Tage, dann kehrt sie zurück, endlich bereit, mit brutaler Offenheit ihrem Leben und einer verdrängten Tat ihres Mannes ins Auge zu sehen.

 

„Harper Regan“ ist ein bewegendes Stück über existenzielle Werte des britischen Erfolgsautors Simon Stephens, dessen „Country Music“ im RLT schon zu bestaunen war. Ein Highlight dieser Saison, das unter der Regie von Bettina Jahnke im März zur Premiere kommt. Ebenfalls von einem vielgespielten Gegenwartsdramatiker und gleichwohl mit brisantem Inhalt Roland Schimmelpfennigs „Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes“. Die Szene: Ein Abendessen zweier befreundeter Paare, vier Ärzte, die sich noch aus Studienzeiten kennen. Die Gastgeber haben im Westen Geld verdient, sich in einer gut bürgerlichen deutschen Wohnsiedlung mit Kind und Haus niedergelassen. Die Gäste, Carol und Martin, haben sechs Jahre Kranke in einem afrikanischen Krisengebiet versorgt. Ihre Gesundheit hat darunter gelitten. Als der Bürgerkrieg ausbricht, fliehen sie zurück nach Deutschland. Das Waisenkind, das sie unter ihrer Obhut hatten, lassen sie zurück. Auch ihre Freunde Liz und Frank haben diesem mit Geld, Briefen und Spielzeug geholfen, so dass die Gespräche des Abends schnell ums Waisenkind kreisen. Ein Konflikt über Verantwortung und Moral, über Erste, Zweite und Dritte Welt entbrennt, in dem die maroden Beziehungen beider, ihre Erfolge und Lebensbilder auf dem Prüfstand stehen.

 

Zur harten Kost gibt es aber auch Leichteres im Programm, wie das Stück „Amadeus“. Die Verfilmung von Peter Shaffers Werk war ein großer Erfolg und wurde 1984 mit acht Oscars ausgezeichnet. Noch heiterer geht es in der Inszenierung „Don Camillo und Peppone“ zu, die von Jürgen Lingmann im November auf die Bühne gebracht wird. Dass dieser im lustigen Metier überzeugen kann, bewies er mit „Cash – Und ewig rauschen die Gelder“ in der vergangenen Saison. „Pinocchio“ steht für die Kleinen auf dem Programm und „Auszeit! Ein musikalischer Seelenritt“ geht mit acht Schauspielern und einer fünfköpfigen Band auf Pilgertour. Der Vielfalt in Sachen Seelentrip sind in der Spielzeit wenig Grenzen gesetzt. Mit der Premiere „Hiob“ geht es am 15. September los. Davor stimmt das Theaterfest am 2.9. von 14 bis 18 Uhr auf die Saison ein. Darbietungen, Ratespiele und Kostümversteigerungen im ganzen Haus und die Schauspieler zum Greifen nah, bei freiem Eintritt. Ob Zeus und Hera auf den Olymp geleiten, ob Dionysos berauscht oder Hades in die Unterwelt führt, hier weisen die Götter den Weg ins Reich jenseits des Verstandes.

(Nähere Infos unter www.rlt-neuss.de)