Psychotherapie per E-Mail?

29. Juni 2012 | Von | Kategorie: Titelthema

Zukunft Made in Neuss!

Das ist keine Sience Fiction, das lief schon hervorragend in einer Pilotphase von Ende 2011 bis vor kurzem. Nun startet die Projektphase 1 mit rund 200 interessierten Patienten für den wissenschaftlichen Feinschliff.

Robert Wolf

Psychotherapie per E-Mail?

Wer da an Automatisierung, Datensammeln und Kostensparen denkt, liegt komplett neben der guten alten Therapie-
Couch. Die hat zwar nicht ausgedient, aber es ist Zeit für eine innovative Ergänzung. Knochenbrüche, Grippe, Schweinepest hin oder her, es sind psychische Handicaps zwischen Ängsten und Depressionen, die uns das Leben schwer machen. Laut Analyse der AOK werden sie in zehn Jahren der häufigste Grund für Arbeitsausfälle sein. Von den alleinerziehenden Müttern ist jede fünfte stresskrank!

Ein häufiges Phänomen, das der regulären Behandlung entgegensteht ist, dass der Hilfebedürftige nicht regelmäßig an einem öffentlichen
Behandlungsort erscheinen will oder kann. Oder die Ängste lassen ihn nur noch in den eigenen vier Wänden klare Gedanken fassen. Hier tun sich neue Chancen für therapeutische Hilfe auf. Wenn man noch Negatives wie Wartezeiten von bis zu einem Jahr und unflexible Therapietermine dazu nimmt, ist eine zeitgemäße neue Therapieform längst überfällig.

Das Neusser St. Alexius-/St. Josef-Krankenhaus bietet mit seinem neuen Projekt „net-step“ deutschlandweit die erste ambulante Internetpsychotherapie für Menschen mit sozialer Phobie, Depressionen oder Panikstörungen an. Bei Studien im Ausland haben neun von
zehn Patienten mit Angststörungen ihre Phobien und Panikattacken mittels Internet-gestützter Selbsttherapie gut in den Griff bekommen. In einigen Ländern hat sich die ambulante Internettherapie schon etabliert und ist ein von den Krankenkassen anerkanntes, häufig eingesetztes Verfahren. Die Neusser Experten und Initiatoren des Projekts sind Dr. Martin Köhne, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des St. Alexius-/St. Josef , Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick, Chefarzt des Ambulanten Zentrums und die IT Spezialistin Barbara Redecker. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Nun gilt es unter dem Namen „Net-step“ das Beste aus allen Welten für uns noch besser zu machen. Das Angebot findet großen Anklang
bei den Krankenkassen. Mit der AOK Rheinland/Hamburg wurde bereits ein Versorgungsvertrag ausgearbeitet, mit anderen Krankenkassen sind die St. Augustinus-Kliniken im intensiven Gespräch. „Net-Step“ unterscheidet sich von den ausländischen Modellen vor allem durch den „face to face-Kontakt“ mit einem der sechs behandelnden Psychotherapeuten. Die Therapie beginnt mit dem Erstgespräch, dem auch einer der beiden Psychiater mit besonderer Zusatzausbildung beisitzt. Sie endet mit einem Abschlussgespräch nach rund 15 Wochen.

Nach dem persönlichen Erstgespräch kommunizieren Therapeut und Patient in der Regel ausschließlich per Internetprogramm und E-Mail. Natürlich sind in besonderen Krisensituationen Telefonate mit dem persönlichen Therapeuten möglich und im Notfall steht natürlich (nicht nur den Patienten im Programm, sondern jedem) die 24-Stunden- Notfallambulanz des St. Alexius-/St. Josef KKH zur Verfügung. Selbst eine stationäre Aufnahme im soeben neu erbauten, hochmodernen „Zentrum für seelische Gesundheit“ des St. Alexius-/St. Josef-Krankenhauses kann organisiert werden.
Im Programm selbst wird man bei freier Zeiteinteilung leicht verständlich durch zielgerichtete Aufgaben geführt. Die Vorteile dieser Therapie sprechen für sich: Kurze Wartezeiten, kein Terminsstress, vertraute Umgebung. Diese innovative, vertrauenswürdige (höchst
datensichere) Therapieform kann zu jeder Zeit im eigenen Tempo durchgeführt werden, ist also perfekt für Mütter oder Manager. „Menschen gehen in Internet viel offener miteinander um, die Bereitschaft nach kurzer Zeit über komplexe persönliche Probleme zu
schreiben, ist groß“, sagt Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick. Überraschend auch: „Studien belegen, dass bereits nach dem vierten Kontakt die Beziehung zum Therapeuten vom Patienten als besser bewertet wird als im persönlichen Kontakt.“
„net-step“, ist vom NRW „Ministerium für Gesundheit, Pflege, Emanzipation und Alter“ als Modellprojekt genehmigt worden
und wird vom Verband der Psychotherapeuten unterstützt. Ziel ist es, die ambulante Internetpsychotherapie zukünftig in die Regelversorgung des deutschen Gesundheitsversorgungssystems einzugliedern.
„Langfristig ist eine Erweiterung des Angebots auf sexuelle Funktionsstörungen, Burnout und diverse andere psychische Störungen
ohne weiteres denkbar“, blickt Chefarzt Professor Dr. Dr. Ulrich Sprick optimistisch auf die Potentiale der modernen Internettherapie. Auf der Website www.net-step.de finden sich alle Informationen, nur dort ist (derzeit) eine Anmeldung möglich.

PS: Ein Top-Feature wird, wenn es voll funktionstüchtig ist, der anonyme Selbsttest für die drei derzeit in diesem Modell therapierbaren
Krankheitsbilder Depression, Soziale Phobie und Panikstörung sein.

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