Kennen Sie die „Hin und Herberge“? – Unterkunft für Obdachlose am Drendorfweg

14. Juni 2016 | Von | Kategorie: Neusser Leben

Sie ist eine Notschlafstelle für Obdachlose im Netzwerk der Neusser Notunterbringungen, neben der an der Nomannenstraße und den über den SKF an Frauen und über das Jugendamt für Minderjährige vermittelte Übernachtungen. Hier am Kirmesplatz, hinter dem TÜV, wird dem wachsenden Bedarf an Notschlafplätzen jetzt durch eine Erweiterung Rechnung getragen.


Während sich die Zuweisung von Flüchtlingen durch das Land NRW zu entspannen scheint, wächst die Zahl obdachloser Neusser ständig an. Im letzten November berichtete die Tages- und Wochenpresse über die annähernde Verdoppelung des Bedarfs an Notschlafplätzen der „Hin und Herberge“, der Aufenthaltsraum musste als kollektive Schlafstelle genutzt werden und sogar in den Fluren wurde geschlafen. Da hatte man im Sozialamt unter Jürgen Hages und dem Leiter der Fachstelle Wohnen Ernst Goertz schon den akuten Handlungsbedarf erkannt. Es wurde gehandelt.
Doch woher kommen diese hilfsbedürftigen Menschen eigentlich? Mit dem naiven Bild von „Berbern und Clochards“ haben sie wenig zu tun. Laut Jürgen Hages handelt es sich zu fast 100 Prozent um Neusser, die in ihren prekären Verhältnissen nicht mehr zurecht kommen und auf der Straße gelandet sind. Weil sie die Leistungen der Grundversorgung in ihrer Heimatgemeinde in Anspruch nehmen müssen, sind sie örtlich gebunden. Für sie gibt es zwei Basis-Modelle, die vereinfacht dargestellt bedeuten: Entweder: Die eigenen vier Wände, Versorgung mit Lebensmitteln und dem Nötigsten und das bei ca. 100 Euro Taschengeld. Oder: Für circa 400 Euro obdachlos leben und dadurch mehr Geld zur freien Verfügung haben. Die Raucher unter unseren Lesern werden schnell ausrechnen können, wie weit man mit einem Hunderter im Monat kommt. Die können auch gern nachrechnen, wie oft es für die Summe ins Theater, Kino, Restaurant oder Fußballstadion geht.
Dass diese Ausgeschlossenen unserer Neusser Gemeinschaft dazu meist ernsthafte psychische Probleme, Probleme mit Drogen und Alkohol haben, ist Hahn und Hages bewusst und so sind sie froh, einen Übernachtungspförtner – so nennt man die Mitarbeiter – vor Ort zu haben, der als Pfleger des St. Alexius über Erfahrungen mit psychisch erkranktem Klientel verfügt. Gut auch, dass bei der geplanten personellen Aufstockung, die parallel zur Erweiterung der Einrichtung kommen wird, auch diese Qualifikation im Fokus steht. Die Erweiterung zum Juni 2016 umfasst beide vom Aussenmaß gleich großen Gebäude am Derendorfweg. In dem, das bisher als Flüchtlingsunterkunft gedient hat, werden die Zimmer, Küche und der Sanitärbereich für die neuen Bedürfnisse in Stand gesetzt, um dann auf zwei Etagen genügend Platz für den derzeitigen Bedarf an Notunterkünften anzubieten. Diese „Hin und Herberge“ hat Öffnungszeiten, die auf die Erfahrungen des Sinnvollen und Machbaren beruhen. Das ist derzeit wochentags von 17 Uhr bis zum nächsten Morgen, sowie durchgehend an den erstaunlich ruhigen Wochenenden. Das andere Gebäude soll dann als Bleibe für „Stammkunden“ hergerichtet werden, die dort ständig wohnen können, statt in einer Wohnung anonym zu vereinsamen und zu verwahrlosen.
Neuss kümmert sich mal wieder. Schön, denn auch die so genannten „Dropouts“ sind unsere Mitbürger, soviel ist sicher, halt nur mit einem Rucksack voller Probleme.